Schreiburlaub
Endlich! Sieben Tage nur für mich: Schreiben, mich mit Autorinnen austauschen, schwimmen im nahen See, den Hummeln im Lavendel zusehen, wie sie ihre Plüschhintern mit Pollen benetzen, ab und zu Sonnencreme nachtragen, leichthändig Worte ins Ipad strömen lassen, Aperitif am Nachmittag mit amüsantem Geplauder.
Abends gut essen. Rotwein.
Der See ist wirklich sehr schön, die Gesellschaft angenehm.
Aber irgendwie sind wir ständig mit Nahrungsaufnahme,-beschaffung oder -zubereitung beschäftigt. Nicht zu vergessen das Geschirr: Spülmaschinentabs sind schon alle.
Zwei Mückenstiche habe ich zur Begrüßung bekommen, den Hals, den ich beim Brustschwimmen schwanengleich in die Höhe gereckt. Zack! Der Unterarm, einen Moment freigelegt - zack! Die Stiche sind rot angeschwollen, jucken periodisch unangemessen heftig. Unbeeindruckt von Fenistil mit Cortison.
Kein Grund zum Jammern. Ich tue es trotzdem.
Die morgendliche Schwimmrunden sind herrlich, trotz kühler Temperaturen. Danach ein üppiges Frühstück mit Ei und Obst und Avocadobrot. Bis hierhin stimmt alles.
Dann zerstreuen wir uns: Schreibzeit.
Ich gehe auf mein Zimmer, dusche das Seewasser ab, Zähne putzen. Lasse mich aufs Bett fallen, lese Mails, Zeitung, scrolle durch Instagram. Die neuesten Übungen gegen steife Autorinnengelenke. Ich denke: das sollte ich machen, genau das. Und schiebe das Video mit geschmeidigen Fingern weg. Später.
Vertiefe mich in den Romanplot, verbessere hier und da einen Rechtschreibfehler und habe nicht den leisesten Hauch einer Inspiration, wie es weitergehen soll. Nachdem ich drei Figuren gestrichen, die Vergangenheit meiner Heldin verändert, Namen und Nationalität einer Nebenfigur ausgetauscht habe, fällt mir auf, dass ich keinen echten Antagonisten im Spiel habe. Außerdem hat mein Verlag noch nie eine Dystopie veröffentlicht und das Zombie-Thema, das sich in meinen Roman verirrt hat, ist inzwischen sowas von ausgelutscht. The Walking dead gehen nicht mehr. Totgelaufen, sozusagen. Und „sozusagen“ ist ein Unwort. Nicht würdig einer Schriftstellerin, spukt nur noch in den Köpfen drittklassigen FeierabendautorInnen. So eine bin ich.
Auch auf den fertig geplanten Thailandthriller habe ich nicht die geringste Lust. Die Story erscheint mir öde und witzlos. Die Figuren atmen nicht.
Meine Kolleginnen haben gestern beim dritten Wein, nachdem ich gestanden hatte, in den vergangenen Tagen noch kein Wort geschrieben zu haben, beschlossen, ich solle doch einen Heimatkrimi aus dem Sonnenhut zaubern. Den Plot könnten wir doch schnell zusammenspinnen?Regional geht immer!
Schnell haben wir die leicht autistische Briefträgerin als Ermittlerin, einen pfiffigen Döner Verkäufer namens Erkan und den toten Schriftsteller auf dem Ipf erfunden. Motiv und Täter verstecken sich noch im Bopfinger Hochnebel, aber das kommt, versichern mir meine lieben Kolleginnen. Sie sind überzeugt, dass uns ein Bestseller ins Haus steht, der den Verlag finanziell sanieren wird. Den mystischen Berg Ipf besuchen jedes Jahr Tausende. Wanderer, Geschäftsreisende, Esoteriker.
Ich google die Einwohnerzahl: rund Elftausend. Wenn nur jeder Zehnte ein Buch kauft, sind das schon mal 1100 Exemplare und Nördlingen, die Stadt aus der der Mörder kommen muss, will ganz sicher auch mitlesen. Nochmal einundzwanzigtausend potentielle KäuferInnen
Wir könnten gleich In den Taschenbuchdruck gehen, tolle Umschläge mit Klappbroschur lohnen sich schon ab zweitausend Exemplaren.
Ich bin begeistert, gehe nach dem vierten Glas Merlot inspiriert ins Bett und schlafe glücklich ein.
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